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Kollagen - Schlachtabfall aus Argentinien?

von Maria Arnold 

Kollagen-Hype 2025: Zwischen Marketing-Märchen, Tierethik und echter Evidenz

Kollagen ist in Deutschland vom Nischenrohstoff zum Massenphänomen geworden. Drogerien, Insta-Ads, Influencer-Codes – überall wird das Pulver als Wundermittel für Haut, Haare, Nägel und Gelenke verkauft. Zeit für einen nüchternen, kritischen Blick: Wer verdient daran? Woher kommt das Kollagen wirklich? Und was sagt die Forschung – jenseits der Werbeclaims?

Image by Shirly Welloving

Kollagen-Hype 2025: Zwischen Marketing-Märchen, Tierethik und echter Evidenz

Kollagen ist in Deutschland vom Nischenrohstoff zum Massenphänomen geworden. Drogerien, Insta-Ads, Influencer-Codes – überall wird das Pulver als Wundermittel für Haut, Haare, Nägel und Gelenke verkauft. Zeit für einen nüchternen, kritischen Blick: Wer verdient daran? Woher kommt das Kollagen wirklich? Und was sagt die Forschung – jenseits der Werbeclaims?

Markt & Player: Wer dominiert – und wie groß ist das Geschäft?

Deutschland ist inzwischen ein Kernmarkt. Seriöse Marktforscher schätzen den Kollagen-Markt in Deutschland 2024 je nach Methodik auf rund 0,5 Mrd. USD (EMR) mit weiterem Wachstum in Richtung 1 Mrd. USD bis Anfang der 2030er, andere Analysen lagen 2023 noch bei ca. 320 Mio. USD – die Bandbreite zeigt, wie dynamisch und schwer greifbar der Markt ist.

Unter den Marktführern sticht Glow25 heraus – eine Berliner DTC-Marke, die über Drogeriepartner und eigene Shops skaliert hat. Gründer-Posts und Firmenprofile rühmen sich damit, in wenigen Jahren > 100 Mio. € Jahresumsatz erreicht zu haben. Dass die Firma von männlichen Gründern geführt wird , ist belegt; Aussagen zu deren privatem Vermögen bleiben naturgemäß Spekulation – klar ist aber: In einem dreistelligen Millionenumsatz-Geschäft entstehen erhebliche Vermögenswerte.

Herkunft & Transparenz: Von der Schlachtlinie ins Beautyglas

Woraus besteht Nahrungsergänzungs-Kollagen? Industriell fast immer aus tierischen Nebenprodukten – v. a. Häuten/Schwarten von Rind und Schwein sowie Fischhaut/-schuppen. Fachreviews beschreiben diese Rohströme explizit als wichtigste Quellen für Kollagen/Gelatine. Das ist per se kein „Abfall“ im rechtlichen Sinn, aber eben Schlachtnebenprodukte, die ohne diese Verwertung oft im Rendering landen würden.

Sicherheitslage

 

Die EFSA bewertet Kollagen/Gelatine ausschließlich aus Häuten/Schwarten in Bezug auf BSE-Gefahr als „sichere Güter“ (safe commodities). Das sagt nichts über Tierwohl oder Nachhaltigkeit, aber es ordnet die gesundheitsbezogene Sicherheit der gängigen Rohquelle ein. 

Problem Transparenz: Viele Marken nennen zwar „Rind“ oder „Fisch“, aber nicht das konkrete Herkunftsland, den Schlachthof, die Kaskade der Lieferkette (Abhäuten → Vorbehandlung → Hydrolyse → Trocknung). Wer ESG ernst nimmt, sollte genau hier nachfragen – und zwar schriftlich.

Das Kapstadt-Schiff: Was wirklich passiert ist – und was nicht

Im Februar 2024 versetzte ein extremer Gestank Teile von Kapstadt in Aufruhr: Ein Frachter mit ca. 19.000 Rindern aus Brasilien lag im Hafen; Tierschützer dokumentierten kranke und tote Tiere, einige mussten eingeschläfert werden. Der Gestank kam laut Behörden von der Akkumulation von Kot/Ammoniak an Bord. Das Schiff setzte seine Reise nach Irak fort. Wichtig: Es gibt keine belastbare Quelle, dass diese Tiere für die Kollagenproduktion bestimmt waren – es handelte sich um Lebend-Export zur Schlachtung. Das Ereignis illustriert die Tierwohl-Debatte rund um globale Lieferketten – eine direkte Verbindung zu in der EU verkauftem Kollagen ist hier jedoch nicht belegt. 

Marketing vs. Wissenschaft: Wirkt das überhaupt?

Die Kurzfassung der Evidenz:

  • Haut: Mehrere systematische Reviews/Meta-Analysen (2023–2025) zeigen signifikante, wenn auch moderat ausgeprägte Verbesserungen bei Hydratation, Elastizität und teils Faltentiefe nach 8–12 Wochen oraler Kollagenpeptide (meist 2,5–10 g/Tag). Die Studienqualität variiert, oft finanziert von Herstellern; Heterogenität (Dosen, Messmethoden) bleibt ein Limit. 

  • Gelenke/Ältere Menschen: Für Gelenkschmerz (inkl. Knie-OA) gibt es positive RCTs und Reviews, aber auch negative Studien – der Gesamteindruck: potenzieller Nutzen, besonders bei Beschwerden/Defiziten, keine Wunder bei Gesunden. Effekte benötigen Wochen bis Monate und sind klinisch eher klein-bis-mittel. 

Was heißt das für Konsumentinnen? Viele Frauen berichten subjektiv spürbare Veränderungen der Haut („praller“, „weniger trocken“) – und die beste Evidenz liegt tatsächlich in diesem Bereich. Wer Gelenkbeschwerden hat, kann profitieren, aber sollte realistische Erwartungen und Geduld mitbringen.

Die Schattenseiten: Greenwashing, Pink Tax & Preislogik

  • Pink Pricing: Schönheits-Narrative treiben Preise. Rohstoffkosten für Kollagenpeptid liegen grob im einstelligen Euro-Kilo-Bereich im Großhandel; was Konsumentinnen zahlen, ist ein hochpreisiges Marken-/Content-/Logistik-Produkt.

  • Intransparente Lieferketten: „Weidehaltung“ wird suggeriert, während die tatsächliche Rohstoffkaskade selten offenliegt. Ohne CoA, Herkunftsländer, Audits bleibt es Vertrauen.

  • Erwartungsmanagement: Kollagen ist kein Botox, keine Hormontherapie und keine Medizin – es ist Eiweiß in Peptidform mit spezifischem Aminosäureprofil. Begleitfaktoren (z. B. Vitamin C, Proteinzufuhr, UV-Schutz, Schlaf) entscheiden mit über Effekte.

Was verantwortliche Marken jetzt liefern sollten

  1. Radikale Transparenz: Rohstoff (Tierart, Land, Schlachthof-Audits, Hydrolysewerk) offenlegen; Fisch: Herkunft/FAO-Zonen.

  2. Tierwohl & ESG: Keine Rohstoffe aus zweifelhaften Lieferketten; zertifizierte Beschaffung, Audits veröffentlichen.

  3. Sauberes Claiming: Keine Heilsversprechen; Studienlage ehrlich einordnen (Effektgrößen, Studiendauer, Zielgruppen).

  4. Werthaltige Formulierungen: Sinnvolle Dosierung (≥ 2,5–5 g/Tag), Vitamin C als Cofaktor, Schwermetall- und Mikrobiologie-Tests pro Charge, QR-Code zu Prüfberichten.

  5. Preis-Fairness: Marge ist legitim – aber transparent erklären, wofür bezahlt wird (Qualität, Tests, Lieferkette, Content, Service).

Verbraucher-Fazit: Wie du klüger kaufst

  • Studien realistisch lesen: Verbesserungen sind messbar, aber moderat – erwarte feine, nicht dramatische Effekte. 

  • Transparenz einfordern: Frage nach Herkunft, Charge/CoA, Schwermetall-, Mikrobiologie-, Allergentests.

  • Ethik prüfen: Wenn Tierwohl für dich zentral ist, ziehe marin-basiertes Kollagen mit dokumentierter Herkunft oder gelatinefreie Alternativen (die aber kein Kollagen sind) in Betracht.

  • Gesamtpaket denken: Sonnenschutz, Proteinzufuhr, Schlaf, Stress, Hautpflege – Kollagen wirkt nicht isoliert.

  • Preis/Leistung: Prüfe den Preis pro effektiver Tagesdosis (nicht nur pro Dose).

Unterm Strich: Der Kollagen-Hype ist eine Mischung aus echtem, moderatem Nutzen (vor allem Hautfeuchtigkeit/-elastizität, teils Gelenkkomfort) und hartem Marketing mit blinden Flecken bei Tierwohl und Transparenz. Der Markt boomt, die (männlichen) Gründer einiger Leitmarken profitieren sichtbar – das ist in einem Wachstumsmarkt nicht überraschend. Wer informiert kauft und Transparenz einfordert, kann sinnvolle Produkte finden – ohne den Mythos zu schlucken.

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